Das Recht in Deutschland

Die Bäume in Stuttgart 
standen unter Naturschutz
der Bahnhof in Stuttgart
unter Denkmalschutz
Zählt denn beides weniger
als der Profit?
Das Eisenbahnbundesamt verbot
der Deutschen Bahn AG
die Bäume zu fällen
Den Bahnhof abzureißen
Man wollte erst die Pläne prüfen
Wollte wissen, was sein werde
mit all den Tieren im Park – 
seltene Fledermäuse darunter
Doch schnell, bei Nacht und Nebel
ging man vor
Riß einen Teil des alten, geschützten Gebäudes ab
Fällte Bäume
Dürfen denn die Mächtigen
das Recht brechen?
Wie unverfroren aber
spricht der Rechtsbrecher
von Recht
Weiß er die Rechtsprecher
SO SICHER
AUF SEINER SEITE?
Die friedlich verteidigten
was recht und billig – 
die Bäume ihrer Stadt
Tiere
das historische Bauwerk – 
sie, die das Leben schützen wollten
gegen den Tod – 
die Erinnerung
gegen das Vergessen – 
sie also nennen die Oberen jetzt
Berufsdemonstranten!
Fünfjährige Kinder
Zwölfjährige
und ihre Großmütter
Sie beleidigen sie
denunzieren wie früher
sie kennen keine Scham
und ihr Dünkel ist so groß
daß sie die Friedfertigen warnen
vor gewaltsamer Tat
während sie einprügeln lassen
auf Bürger
Gewalt anwenden 
gegen das sit-in von Schülerinnen und Schülern
ihr friedliches Widerstehen
folgend dem Beispiel des friedlichen Gandhi
Ja, sogar Großmütter greifen sie an
mit der Wasserkanone
mit Pfefferspray alte Männer
Heuchler sind sie
Heuchler und zynisch
und warnen die,  die sie schlugen
vor Gewalt

                      5. Okt. 2010
 
 
 
 

                       In jenem September

              in jenem September
                    als das Rot erblühte
           Gelb und Orange in seiner warmen Pracht
               als Wind die Blätter streifte
                                voll Erstaunen
                    und sanft der Sonne Glanz
                              das letzte Grün durchdrang 
                  fast wie zum Abschied
                             an den Abenden
                                     die kühl schon jetzt
                              den nahen Herbst erahnten
                      in jenem Monat war’s
                          da kamen sie, die Diebe
                     und stahlen uns der Schönheit 
                            schönen Widerschein
                         und nahmen uns das Paradies
                                daß uns nichts bliebe
                                        so hofften sie
                                       von einem Ort
                                      schon frei von Hässlichkeit
                         und jenem Wunsch nach einem Land
                                     wo  Hiebe
                                  die Kinder schonten und die Liebe
                                          in Zukunft, wenigstens
                                               zu finden sei
                                              befreit, und neu bereit
                                            die Welt zu ändern
                                           in eine bessre, schön’re auch
                                                 auf das geschwisterlich
                                                   die Menschheit werde
                                              versöhnt mit sich und 
                                                         mit der Mutter Erde

                                                                                7.Okt. 2010
 
 
 
 

                   In jener Nacht

                  in jener Nacht fällten sie
                den riesigen Baum – 
                    Sie achten sein Alter nicht!
                         sehen nicht
                                           seine Schönheit!
             Bei Nacht und Nebel kamen sie
                 rissen ihn heraus
                                  samt Wurzelwerk!
               rissen ihn hoch
                        mit seinem weitausladenden Geäst!
                    Sie nahmen ihn heraus
                        aus der Mitte der Brüder – 
                 sie hofften es reißt
                    ein Loch
                       ein riesengroßes Loch
                in das, was geschwisterlich 
                                                     ihn umgab.
                    Ja, in jener Nacht
                 jener verfluchten Nacht
                    kamen sie und nahmen
                      den größten von allen
                     steckten ihn 
             mit Ästen und Stamm
                      mit seinen Wurzeln
                   in den gewaltigen Schredder
                  So als solle nichts künden
                      von seiner Schönheit
                    seinem herrlichen Leben
               O –  das Tote, 
                     es ist ihnen näher
               und der Anblick des Lebendigen
                                 so verhasst
                     Todbringer sind sie
                       Schnelle Todbringer
                      Immer in Eile
                   Immer auf der Jagd !
                        Aus den Fenstern 
                    ihrer schnellen Gefährte
                        weht Totengeld*
 
                                                   7. Okt. 2010
 
 
 

   *  Im alten Griechenland legten sie den Toten eine Münze in den Mund.
       Im heutigen Taiwan werfen die Taxifahrer jenes Papiergeld, das speziell
       als Sargbeigabe gedruckt wird, während schneller Fahrten auf riskanten
       Routen aus dem Fenster, um die Geister zu besänftigen. In der Zeit eines
       in größte Turbulenzen geratenen Weltmarkts verbrennen die Verantwortlichen
       der großen Konzerne und ihre Politiker auf andere Art totes Geld, ganz im Geist
       des Kapitalismus –  und jedes Mal auf Kosten des Lebens.
 
 
 
 

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