Alfred Mossmann
Die Demokratiebewegung‚ partizipative
Demokratie und die politische Klasse.
Wohin geht die Entwicklung und
wer wird sie bestimmen?
Im November 2008 zitierte die Tageszeitung
Le
Journal du Dimanche Madame Carla Bruni-Sarkozy, die Frau des französischen
Präsidenten, mit den Worten „Il faut aider les élites à
changer“ – Man muß den Eliten helfen, sich zu ändern.(1)
Es ist das alte idealistische Konzept,
daß im längst zu Fall gebrachten ancien régime
den zahmen deutschen Aufklärern vorschwebte: Man muß die Prinzen
bessern, statt sie zu stürzen.
Immerhin, liberale Unternehmer,
einige Sozialdemokraten, Frau Carla Bruni-Sarkozy und andere unterzeichneten
ein „manifeste pour l’égalité réelle“ – ein Manifest
für die reale Gleichheit. Offenbar ahnt man selbst in diesen Kreisen,
daß eine reale Gleichheit im Land der liberté, égalité,
fraternité nicht existiert. Und so hieß es dann
auch, verbal beinahe subversiv: „Le gens des cités doivent devenir
le pouvoir.“ Die Leute in den cités – den Vorstadtvierteln,
mit ihren vielstöckigen, vernachlässigten Blocks eines einstmals
als sozial angedachten Wohnungsbaus für die Armen, also in jenen Vierteln,
in denen immer wieder die Frustration, die Hoffnungslosigkeit der Jugendlichen,
aber auch die Wut über rassistische Diskriminierung explodiert war
– müssen ermächtigt werden. Empowered,
sagt man in den USA: die, die entmachtet, also disempowered
sind, sollen Mitspracherechte bekommen, „ermächtigt“ werden, mitzureden,
mitzubestimmen in ihren Angelegenheiten. Der Satz, den die Zeitung zitiert,
lässt sich ja nicht übersetzen: „die Leute – die in den
cités
und
anderswo – sollen die Macht ergreifen.“ Nein, so weit möchte man nicht
gehen. Den „Fortschrittlichen“ innerhalb der sogenannten Eliten geht es
um Integration des „Unruhepotentials“ und sie bitten zugleich: Gebt uns
eine Chance, unser Image zu ändern, also anders umzugehen mit Euch
und mit unserer ökonomischen und politischen Macht.
Das Beispiel? Obama. Seine erfolgreiche
Kampagne, die ebenfalls mit zündenden – fast schon verloren
geglaubte Hoffnungen weckenden – Sprüchen operierte! Und die zunächst
sehr erfolgreich Menschen mobilisierte. Studierende, engagierte Gewerkschafter
an der Basis, linksliberale und linke Intellektuelle, aber auch ganz normale
Arbeiterinnen und Arbeiter, Leute in den besonders krisengeschüttelten,
von Deindustrialisierungsprozessen verwüsteten Regionen ebenso wie
Leute in den klassengespaltenen Metropolen wie Los Angeles. Oder in jenem
New York, aus dem das Finanzkapital die Armen am liebsten vertreiben will.
Ja, die Yes, we can Kampagne mobilisierte und verbreitete
Hoffnung. Auch unter den Minderheiten, bei den immer arm Gewesenen,
aber in der Krise (soweit das überhaupt möglich ist) noch mehr
Verarmten. Bei denen, die bereits die Erfahrung mit der hoffnungslosen
Situation der Väter, die bedrückende Qualität ihrer Wohnviertel,
ein ungleiches, Ungleichheit reproduzierendes Schulsystem, und zu guter
Letzt eine diskriminierende Einstellungspolitik der Unternehmer um jede
reale Gleichberechtigung bringt.
Als die Public Relations Kampagne
für reale Gleichheit im November 2008 in Frankreich gestartet wurde,
hatte die Euphorie über den Wahlsieg Obamas auch Europa erfasst. Diese
Euphorie ist längst – in den USA wie in der übrigen Welt (auch
in Europa) – der Ernüchterung gewichen. Und die französische
Mini-Version eines neuen, von den „Oberen“ angepriesenen Aufbruchs – was
hat sie gebracht? Was hat sich geändert, in Frankreich, zugunsten
der Beschäftigten, der Arbeitslosen, auch der arbeitslosen jungen
Leute, die besonders hart von der Krise betroffen sind? Was ist besser
geworden für die Studierenden, was für die Einwanderer? Nichts:
Die Krise hat sich verschärft und alles wurde nur noch schlimmer.
Im Mai, im Juni 2011 fordern – ermutigt
durch die Empörung der Massen in Tunesien, in Ägypten – Hunderttausende,
Junge, Alte, Studierende, Beschäftigte, Arbeitslose in Griechenland
und ebenso in Spanien, daß die Krise nicht auf ihrem Rücken
ausgetragen wird. Daß die für die Krise bezahlen sollen, die
sie verursacht haben. Und sie fordern reale Demokratie, direkte Teilhabe
der citoyens, der Bürger, an den gesellschaftlichen
Entscheidungen, deren Folgen sie zu tragen haben. Sie rufen den Politikern
zu: „Ihr repräsentiert uns nicht.“ Sie geben zu verstehen, daß
damit Schluß sein muß. Sie haben schon lange verstanden, daß
die Parteien bei den Wahlen um „das Vertrauen der Bevölkerung“ ringen,
um es in der Legislaturperiode zwischen zwei Wahlen nach Strich und Faden
zu enttäuschen. Entrüstet gehen sie auf die Straße. Oder
besetzen – es den Menschen auf dem Tahir-Platz in Kairo gleichtuend – zentrale
Plätze in den Städten. Sie verweisen auf dieses ihr verfassungsmäßiges
Minimalrecht, ihre Beschwerden über die herrschende Politik öffentlich,
und das heißt in der Öffentlichkeit, im öffentlichen Raum
auszudrücken.
Die „demokratisch“ drapierten sogenannten
Eliten der westlichen Demokratien, die dieses Recht mit Worten verteidigen,
wenn es in Misrata, in Bengasi, in Kairo, in Damaskus oder in Peking in
Anspruch genommen wird, reagieren wie erwartet: in Athen, aber auch auf
dem Katalonien-Platz in Barcelona, auf dem Platz der Puerta del Sol in
Madrid, greift die Polizei hart durch.
Und auch im freien, gleichen, brüderlichen
Frankreich, das seine liberalen Vordenker und Propagandisten kürzlich
noch von „realer Gleichheit“ und der Macht der Menschen in den vernachlässigten
Vorstädten faseln hörte, schickt der konservative Bürgermeister
von Paris – oder war es der Präfekt des Departements, oder vielleicht
doch (direkt oder indirekt) der Herr Präsident persönlich, Monsieur
Sarkozy? – die paramilitärisch ausgebildete Bereitschaftspolizei:
Knüppel frei! Ziemlich brutal räumten sie den symbolischen Ort,
an dem einst das Gefängnis, die Zwingburg des alten Regimes stand
– die Bastille.
Was in Diktaturen ein demokratisches
Recht ist, stört die an der Regierung befindlichen „Demokraten“ zutiefst,
wenn Menschen es wagen, auch in unseren deformierten Demokratien aufzuwachen.(2)
In Demokratien, die – wie Kritiker behaupten – längst angesichts der
schleichenden Entmachtung der Parlamente zugunsten der Exekutive, angesichts
der Notstands- und „Anti-Terror“-Gesetze, angesichts der angemaßten
präventiven Überwachungsbefugnisse der Behörden, postdemokratische
Züge annehmen. Also noch nicht einmal mehr jene Garantien zu geben
bereit sind, die formalen liberaldemokratischen Systemen einmal zu eigen
waren. Und die heute von den Protestierenden als die Mindeststandards gesehen
werden, die es zu sichern gilt, damit eine Debatte über „mehr Demokratie“
überhaupt möglich bleibt.
Die Alternative zu
dieser Debatte und zu handfesten Verbesserungen in Richtung einer größeren
direkten Beteiligung aller Bürger an den das Gemeinwesen – ihre Stadt,
ihre Region, ihr Land – betreffenden Entscheidungen wäre letztlich
die Revolte. Vielleicht der gewaltlose Aufstand, wie in Ägypten, wie
in Tunesien. Und dies mit dem Risiko für die protestierenden, ihre
Rechte einfordernden Menschen, der Repression widerstehen zu müssen.
Aber auch mit dem Risiko, zumindest für Teile der „Eliten“, ähnlich
wie derzeit Mubarak und die Verantwortlichen und Büttel des ägyptischen
Repressionsapparats, letztendlich für ihre Verbrechen und ihre Missachtung
der Verfassung, der Menschen- und Bürgerrechte zur Rechenschaft gezogen
zu werden.
Die Frage, heute, ist nicht nur:
Wie gelingt den Protestierenden die Mobilisierung der Massen, die Einbeziehung
der Arbeitskollegen, der Nachbarn, der Freunde und Verwandten in die Proteste?
(3)
Die Frage ist auch: wie werden,
im weiteren, die Herrschenden, die „Eliten“ reagieren? Werden sie es auf
die „weiche Tour“ versuchen?(4) Werden sie daran gehen, durch Mediation,
durch leere Versprechungen, durch ein scheinbares Entgegenkommen den Protest
zu entschärfen und die Demokratiebewegung – denn um eine solche handelt
es sich längst – zu spalten?(5)
Oder werden sie, lernunfähig
selbst im Sinne jener „Reformer“, die nur die Kontinuität der politisch-ökonomischen
Verhältnisse im Auge haben, auf Härte setzen?
Ein Drittes ist immerhin denkbar:
vielleicht werden da auch jene sein, die – wie es im 1789 von der
Revolution ergriffenen Frankreich nicht wenige fortschrittlich gesinnte
Aristokraten taten – die Seiten wechseln? Und dies, um sich zusammen mit
den seit langem entmachteten und ihrer Entmachtung überdrüssigen
Bürger auf die Suche nach einer Demokratie zu machen, die den Namen
verdient.
Und wäre das nicht auch eine
Demokratie, in der demokratische Entscheidungsrechte nicht länger
die Fragen der Umwelt und der alle Bürger in ihrer Alltagswirklichkeit
auf das Nachhaltigste berührenden Ökonomie ausklammern?
Eine Demokratie, die Schluß macht mit dem einer Diktatur gleichkommenden
Macht- und Entscheidungsmonopol in wirtschaftlichen Dingen, das heute
durch Top-Manager der Banken, Versicherungen, Hedge- und Pensionsfonds,
durch Großaktionäre, alte und neue Industriellen-Dynastien,
Eigner von Handelskonzernen wie Walmart und Aldi ausgeübt wird.
Eine Bürgerbeteiligung an real wirksamen Entscheidungsprozessen ist
notwendig und ein demokratisches Recht. Sie ist ein wesentliches Instrument,
um demokratische Kontrolle und Entscheidungsbefugnis an die Stelle des
alten Feudalismus der Konzerne zu setzen. Und somit eine rationale, demokratische,
d.h. auf Wissen um Ressourcen sowie auf der Teilhabe aller an Debatten
über Bedürfnisse und Ziele beruhende Planung „von
unten“ an die Stelle der vielen Konzernstrategien und –planungen
treten zu lassen. Aber auch an die Stelle der bisherigen, in vielen westlichen
Ländern praktizierten Varianten einer etatistischen „Industriepolitik“
und bürokratischen Planung „von oben“. Und dies, weil sich weder Konzernstrategien
noch die Industriepolitik je vorrangig an den Bedürfnissen und Interessen
der „Unteren“ und der Natur orientiert hat.
Eine Demokratie umfassender Art
– eine direktere, welche die Menschen als Denkende und als gesellschaftlich
Aktive einbezieht – ist auch eine, in der wir alle als Bürger
nicht länger die Augen vor den Krisen (ob nun ökologische
oder Wirtschafts- sowie soziale Krise) verschließen müssen,
bloß weil unsere demokratischen Rechte in einer immer noch nicht
demokratisierten noch auch vernünftigen Wirtschaft „am Betriebstor“
enden.
Die Gegenwart, das ist wahr, wirft
aber auch Machtfragen, Fragen nach dem Grad der Repressionsbereitschaft
der Mächtigen sowie Fragen nach der Mobilisierungsfähigkeit der
Demokratiebewegung auf. Gewiß auch Fragen nach dem Grad der Bereitschaft
der Bevölkerungsmehrheit, sich zu engagieren. Und das heißt,
selbst zu denken und zu handeln, an Debatten teilzunehmen. Mitzuentscheiden.
Es sind dies Fragen, die keine prognostizierenden Antworten zuzulassen
scheinen. Allein die Praxis, der einen wie der anderen, wird entscheiden,
was möglich wird. Aber es geht heute um sehr viel. Die Protestierenden
wissen das, in ihrer Mehrzahl. Es geht um unsere Zukunft. Die der Einzelnen.
Die der Menschheit. Die eines von Umweltkatastrophen, aber auch von Kriegen
um Wasser und Rohstoffe sowie Einfluß-, nein Herrschaftszonen bedrohten
Planeten.
Anmerkungen
(1) C.A., “…bouger la France / « Il
faut aider les élites à changer » ” , in : Le Journal
du Dimanche, 9 novembre 2008, S.3
(2) So reagierte die herrschende Politik angesichts
der Bürgerproteste in Stuttgart im vergangenen Jahr mit – wie ein
Parlamentsausschuß rügte – „unverhältnismäßiger
Härte.“ Und die konservative, aus CDU/CSU und FDP gebildete Bundesregierung
legte noch nach, indem sie Forderungen nach mehr Bürgerbeteiligung
mit dem Plan begegnet, das bestehende ganz und gar unzureichende Ausmaß
der Bürgerbeteiligung gesetzlich einzuschränken. Wolfgang
Janisch, „Diskussion unerwünscht. / Bundesregierung will Bürgerbeteiligung
an Projekten wie Stuttgart 21 einschränken“, in: Süddeutsche
Zeitung, 8.-9. Jan. 2011, S. 5
(3) Die Schwierigkeit der politischen Klasse,
den Abstentionismus zu reduzieren, zeigte sich kürzlich wieder bei
den Kommunalwahlen im Mai in Spanien, in ähnlicher Weise aber auch
bei den Wahlen für das Parlament des Bundeslandes Hamburg im Februar
2011, bei denen die Bürgerinnen und Bürger, die nicht zur Wahl
gingen, mit 43 Prozent die größte Partei bildeten, allerdings
eine machtlose, nicht im Parlament vertretene. (Vgl. Jens Schneider, „Kuriose
Sprünge in der Bürgerschaft“, in: Süddeutsche Zeitung, 24.Febr.2011,
S.6)
Auch die in der Demokratiebewegung Engagierten
stehen vor der Herausforderung, die Bürgerinnen und Bürger zum
Engagement, zum Mitdenken, Mitdebattieren, und praktischen Mittun – nicht
nur, aber auch auf der Straße – zu bewegen. Aus konkreten Anlässen
und auf Grund eines langen Atems der Aktivsten, die oft schon seit Jahren
am Ball sind, gelingt das immer wieder, wie der hohe Mobilisierungsgrad
im Wendland und im Herbst 2010 in Stuttgart zeigt. Aber im nationalen und
europäischen Maßstab ist man noch weit entfernt vom Mobilisierungsgrad
der ägyptischen oder auch nur der griechischen Bewegung. – Es kommt
hinzu, daß Fehler und Niederlagen der Bewegung, wenn sie gravierend
sein würden, nicht ohne Folgen blieben: „Dann werden die [zu der Bewegung
massenhaft hinzugestoßenen] Leute sich [...] bestätigt fühlen“
in jenem Gefühl der politischen Ohnmacht, daß derzeit der Empörung
und der Bereitschaft zu handeln weicht: sie werden sich „bestätigt
fühlen in ihrem Glauben, machtlos zu sein und es wird für lange
Zeit nichts passieren.“ (Gene Sharp, im Interview mit Jörg Häntzschel,
„Sie müssen das System verstehen“, in: Süddeutsche Zeitung, 24.Febr.2011,
S.13 – Eckige Klammern von mir, ::::::: )
(4) Der liberale Sozialwissenschaftler Claus Leggewie,
ein guter Sachwalter reformistischer Kräfte innerhalb der politischen
Klasse, erkennt die Zeichen der Zeit, wenn er sagt: „Etwas ist grundfalsch
an der Art und Weise, wie wir heute leben“ und wenn er in einem Atemzug
damit fragt: „Wie kann die Demokratie wiederbelebt werden?“ Aber er verbindet
das mit einer Antwort, die eine bedenkliche Richtung vorgibt, indem er
die Protestierenden auf der Straße – die Demokratiebewegung – unter
Generalverdacht stellt und den Parteien die Aufgabe zuweist, die wesentliche
Antwort zu geben: „Parteien“, schreibt er, „können die richtungslose
Energie der ,Wutbürger’ bündeln.“ (Claus Leggewie, „Tony Judts
Vermächtnis“, in: Süddeutsche Zeitung, 11.Febr. 2011, S.13)
- Abgesehen davon, daß der Begriff ‚Wutbürger’ für
die gut informierten, engagierten Menschen der Demokratiebewegung, der
Anti-Atom-Bewegung, der Friedensbewegung, der Bewegung gegen Sozialabbau
(„Wir zahlen nicht für eure Krise“) denunziatorisch ist, gilt es doch,
festzustellen, daß nicht die Engagierten auf der Straße „richtungslos“
sind, sondern eine Regierung, die vor wenigen Wochen zugunsten der Profite
der vier großen, oligopolistischen Energiekonzerne die Verlängerung
der Laufzeiten selbst der ältesten Atomkraftwerke in völliger
Missachtung der Haltung der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung
in dieser Frage beschloß und kurz danach – offenbar hauptsächlich
aus wahltaktischen Überlegungen heraus – eine vollkommene Wende ihrer
Atompolitik bekannt gibt.
Man kann versucht sein, die Demokratiedefizite
den Konservativen anzulasten. Doch selbst ein der SPD nahestehender Mann
wie Leggewie ist gezwungen, zu fragen: „Was wurde nur aus der Sozialdemokratie?“
Und ein links stehender Autor wie Rainer Balcerowiak, der im Hinblick auf
die Sozial- und Außenpolitik der Schröder-Regierung an
so einiges erinnert, das von der Bevölkerungsmehrheit wohl kaum so
gewollt war (militärische Interventionen im Kosovo bzw. Jugoslawien
sowie in Afghanistan, Deregulierung des Arbeitsmarkts, Schaffung eines
Niedriglohnsektors, der sich auf die Lohnentwicklung insgesamt negativ
auswirkt, Rentensenkung, Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, Steuersenkungen
für Unternehmen und die Reichen; hinzu kommt die zynische Haltung,
mit der Wahlversprechen, die man brach, als von der Bevölkerung nicht
einklagbar abgetan wurden), erinnert nicht zu Unrecht daran, daß
die neoliberalen „Reformen“ der SPD-Führung um Schröder, Steinbrück,
Scholz, Steinmeier, Gabriel, Clement, Müntefering usw. von den „Pragmatikern“
der grünen Führungs-Equipe mitgetragen wurden.
(Rainer Balcerowiak, „Wendehälse“, in: Junge
Welt, 15.-16. Jan. 2011, S.8) – Natürlich wäre es falsch, den
Grünen jetzt eine „Wende“ vorzuwerfen, wenn sie nicht kosmetischer
oder halbherziger Natur ist und wenn tatsächlich basisnahe Kräfte
in dieser Partei an Gewicht gewönnen.
(5) Der US-amerikanische Widerstandsexperte Gene
Sharp lobte an der Demokratiebewegung in Ägypten, daß sie entscheidende
Fehler vemied: „Sie haben jede Menge Vorarbeit geleistet [...] Sie hatten
genug Selbstbewusstsein um ihre Angst zu überwinden.“ Und vor allem:
„Sie ließen sich nicht auf Gespräche mit Mubarak ein.“ (Gene
Sharp, im Interview mit Jörg Häntzschel, „Sie müssen das
System verstehen“, ebenda) - In Baden-Württemberg schlugen die „Geschickten“
in der politischen Klasse im Herbst letzten Jahres ein Mediationsverfahren
vor, daß Delegierte oder Sprecher der Bewegung gegen das unter der
Bezeichnung „Stuttgart 21“ von der politischen Klasse (CDU, FDP, SPD) und
von Investoren betriebene Projekt in Gespräche verwickelte und die
Bewegung effektiv auseinander dividierte. Inzwischen ist dort eine Koalitionsregierung,
gebildet aus Politikern der Grünen und SPD, im Amt. Ein Journalist
kommentiert: „Das bisherige Kernland der CDU erlebt eine demokratische
Kulturrevolution [...] Es gärt in Ba-Wü und dabei kann viel passieren:
Beim Gärungsvorgang verändert sich die gärende Masse – sie
kann aufwallen, sich erhitzen, zerfallen. Wie man das kontrolliert, lehrt
die Biotechnologie. Der grüne Ministerpräsident muß
zeigen
[warum muß? Welche Verhältnisse oder politischen bzw.
politisch und ökonomisch mächtigen sozialen Kräfte zwingen
ihn?], daß er sie [die Technologie der Kontrolle der Masse] beherrscht.
Er nennt sie partizipative Demokratie.“ (Heribert Prantl, „Grün-Rot:
Wein oder Essig“, in: Süddeutsche Zeitung, 28. April 2011, S.4; kursive
Hervorhebung und Einfügungen in eckigen Klammern von mir, ....)
– Natürlich lässt sich ‚partizipative Demokratie’ durch das Regelwerk,
das die politische Klasse ihr – falls sie sich auf sie einlässt –
nach Möglichkeit wohl geben würde, entschärfen, also fast
unwirksam oder gar zum Instrument der geschickten Steuerung erheblicher
Teile der Bevölkerung durch die etablierten „Eliten“ machen. Das spricht
nicht gegen sie, sondern lediglich gegen die Definitionsmacht der politischen
Klasse. Ob der jetzige, den Grünen angehörende Ministerpräsident
es darauf anlegt oder sich dazu „zwingen“ lässt, ein derartiges Spiel
zu spielen, ist vielleicht doch noch offen. Wagt er die reale Unterstützung
der Anliegen der Demokratiebewegung? Oder kalkuliert er in althergebrachter
Weise und enttäuscht damit eine Bewegung, ohne deren Straßenproteste,
deren Debatten, und deren inzwischen weitgehende Verankerung an der Basis
die Grünen nicht den Ministerpräsidenten stellen würden?
It is recommended that you visit
these sites:
Forum Social Mundial
www.forumsocialmundial.org
Z Communications AND Z
mag
http://www.zcommunications.org/
Check...:http://www.democracynow.org/2011/2/17/democracy_uprising_in_the_usa_noam
Check: http://www.democracynow.org/2011/2/17/democracy_uprising_in_the_usa_noam
back to URBAN DEMOCRACY issue #
6
|
|