Von den verschiedenen Weisen, die letzte Zeile
eines Gedichts zu lesen
Und vielleicht
„pflücken wir mit größter Liebe /
was wir zu unserm Nutzen suchen.“
las der hervorragende Sprecher – ein ausgebildeter, darf
ich vermuten – am Morgen des 2. Juni 2011 die letzten Zeilen des Gedichts
eines wahrhaften Klassikers, eines Humanisten.
Er betonte:
„ was wir zu unserm Nutzen suchen.“
Und es enthüllt das ganze vorherrschende, falsche
Denken unserer Zeit: Das Denken der Herrschenden. Der Wenigen. Der Profiteure.
Denn er, der Sprecher und die, für die er spricht, sie meinen
nicht „wir“ und nicht „unser“, sondern „ich“ sowie „mein“. Und sie verstehen
„Nutzen“ als eigenen, partikulären Vorteil. Oft ist es einer, der
nur möglich wird auf Kosten der Anderen.
Aber der Klassiker,
der Humanist, meint das Ganze, uns alle. Spricht wahrhaft, sich einschließend,
zu uns und von uns. Der Plural ist nicht leere Phrase, bloße Rhetorik.
Lesen wir so, bewusst,
und verstehen wir, daß wir – eine Bevölkerung,
eine Menschheit – zu unserem Nutzen mit Liebe pflücken,
also suchen und ernten können, auch Erkenntnis,
auch Einsicht, Verstehen, auch freundlichen Umgang mit einander,
so ist klar, daß gesagt wird, daß unsere suchende Praxis, von
Liebe geleitet, eher zu unserem Guten, zum Nutzen ausschlagen
wird als zu unserem Schaden.
Die humane,
Menschen und Dingen ganz frei und freundlich sich zuwendende Praxis ist
die schöpferische, die produktive. Der zur Produktion getriebene Sklave,
der überwachte Fließbandarbeiter, der Forscher, dem eine ihm
äußere Macht die freie Bestimmung seines Tuns und ihres Gegenstands
verwehrt (und sei es, daß diese Macht der Ehrgeiz ist oder die ausgelobte,
am Markt erwartbare Belohnung) – sie entfalten nicht eine freie Tätigkeit,
noch bringen sie frei die in ihnen schlummernden Kräfte „mit Liebe“
zur wachen Entfaltung.
Es ist die pharisäische
Verlogenheit, die den Nutzen klein redet, ihn
nicht betonen will. Dafür das Egoistische, Partikuläre,
das „ich“ und das „mein“, das sie im Plural versteckt wähnt, hervorhebt
und feiert. Doch es überrascht diese Haltung, die den Einzelnen und
sein Eigentum, seinen Profit vergöttert, während sie verächtlich
auf das „bloß Utilitaristische“ herabblickt, nicht im geringsten.
Es bleibt dieser Haltung einbeschrieben, daß sie zwar das Nützliche
am Nutzen verdächtigt, und gerade dann, wenn es sich konkret
an
der Nützlichkeit des Tuns eines Menschen sowie am
Gebrauch eines Dinges erweist. Daß aber nichts mehr von ihr
ersehnt wird als der heimliche eigene VORTEIL. Ein abstrakter zumeist,
benannte als Zahl, versteckt in BILANZEN. – Auch das ist oft etwas,
über das man nicht spricht. Weil dieser Vorteil fast immer einer
der Wenigen ist?
Check...:http://www.democracynow.org/2011/2/17/democracy_uprising_in_the_usa_noam
Check: http://www.democracynow.org/2011/2/17/democracy_uprising_in_the_usa_noam
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