Joan Chen, Karen Wittstock, Hannah Wolkenstein

„Dies ist unsere Strasse“

Sie verscherbeln unsere Zukunft: die Bosse der Banken und Hedgefonds, die Klimakiller von  R-Watten-E-on-B-W, die Niedriglohn-Profiteure, die Rüstungs- & Kriegsgewinnler & Waffenschieber samt all ihrer Lobbyisten,  die Entwürdiger in den Ämtern und, nicht zuletzt, all die von den „Spenden“ der Reichen profitierenden Politiker im Weißen Haus, in Downing Street Number 10, im Elysée-Palast, im Bundeskanzleramt, in den Palästen und Zentren wahnwitziger Macht, die sich einen Dreck scheren um den Hunger in der Welt, um die Klimakatastrophen, die Verpestung der Meere, der Böden und der Luft, um die Missachtung allen Lebens und der Würde jeder Kreatur, um die weltweite, als Massenarbeitslosigkeit in Erscheinung tretende Verweigerung des Rechts auf ein sinnerfülltes, schöpferisches Leben, das den Wert der Gemeinsamkeit und die Sehnsucht nach Glück erfährt, statt jede Hoffnung auf Befreiung und Glück zu verdrängen.

Der Hunger der sogenannten Dritten Welt hat längst die Weltzentren der Reichtumsanhäufung erreicht: Mehr als 30 Millionen Menschen hungern in den USA. In Deutschland leiden an die 500.000 Kinder täglich Hunger.(*) Wir wissen, dass die Situation in einigen europäischen Ländern und Regionen noch schwieriger ist als im Durchschnitt in Deutschland. Besonders schwierig wohl im Kosovo und in Bosnien –  Regionen des vom Bürgerkrieg verwüsteten alten Jugoslawiens, diesem Land, das zerstört wurde durch egoistischen Partikularismus der konkurrierenden Machtcliquen im Innern, wiederauflebenden, von interessierten Kräften angefachten Nationalismus, und trickreiche Intervention von außen.  Doch auch in bestimmten Bezirken Berlins und manchen Gegenden in Polen, wo viele Schulkinder morgens hungrig in die Schule kommen, sieht es – auf andere Weise – schlimm aus. Und schlimm auch in anderen Ländern Europas, so in Griechenland, Italien, Spanien, wo zumal in den Arme-Leute-Vierteln der Großstädte und auf dem Lande, oft das Elend zuhaus ist. Sollen wir uns nicht der Menschen von L’Aquila erinnern, die man im Stich ließ? Und der Arbeitslosen von Neapel? Nicht zu sprechen von der Lage vieler Einwanderer, vieler, die Schutz suchten vor Verfolgung, im „freien“ Europa. Oder von der Situation so vieler Roma –  in Ungarn, der Slowakei, Deutschland und Frankreich... 

Überall zeigt sich das hässliche Gesicht der Macht, die teilnahmslos dem Elend der Menschen zuschaut und kaum eine Möglichkeit auslässt, es zu verschärfen. Fast täglich spüren wir die Folgen der Politik dieser Macht, die – Hand in Hand mit den Geschäftemachern –  auf internationale Koordination ihres Angriff auf die Rechte der Masse der Menschen setzt. Die nichts auslässt, um sich abzusprechen, ob nun auf meetings in London oder Genf, in Davos oder Dubai oder New York. Und die sich beruft auf Vereinbarungen wie den Vertrag von Lissabon, auf Institutionen wie den Europarat, die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und den Europäischen Gerichtshof – allesamt Bastionen der Herrschaft der international tätigen Firmen, Bastionen eines neuen Feudalismus des big business der kalten Kostenrechner, Lohndrücker, Steuersparer und Einflusskäufer, welche die Bevölkerung das Fürchten zu lehren suchen und welche seit langem dabei sind, mit ihrer europäischen Agenda und ihrer Praxis der „Globalisierung“ den Leuten die Sehnsucht nach einem geeinten Europa und einer Welt ohne Grenzen auszutreiben.

Ist es nicht die Sehnsucht, gehört zu werden und das Unhinnehmbare zu ändern, die heute in der ganzen Welt, von Santiago de Chile, Sao Paulo und Buenos Aires bis Ciudad México, von Toronto bis Fayetteville, von London bis Rom, Athen, Berlin und Madrid, von Kairo bis Johannisburg, von Manama, Teheran bis Sanaa, von Karachi, New Delhi, Katmandu und Bangkok bis Jakarta, ja bis Manila, bis Seoul und Peking die Menschen auf die Straßen treibt?

Gestern erst, am 15. Oktober, gingen – so sagen uns die Sprecher der Protestierenden – in Deutschland an die 40.000 Menschen in zahlreichen Orten auf die Straße. Aufgerufen von ATTAC, von K-21, vom BUND, von Künstlern und kritischen Kirchenleuten, von Gewerkschaftern und Linken und Grünen. Sie folgen dem Beispiel der Menschen auf dem Tahir Platz, dem Beispiel der Kritiker der Banken und der unzureichenden Demokratie in Madrid, dem Beispiel der Bewegung „Besetzt die Wall Street“ in New York, Chicago, Washington und in immer mehr kleinen und großen Städten der USA.

Es ist nicht mehr zu leugnen: Immer mehr Menschen dürsten – bewusst oder vorbewusst – nach Veränderung unannehmbarer Verhältnisse. Auch nach einer wirklichen Stimme. Einer, die zählt, in einer realeren, nicht länger auf Entmündigung hinauslaufenden Demokratie, welche heute, machen wir uns da nichts vor,  die Masse der Menschen effektiv fernhält von jeder realen Mitsprache bei fast allen sie angehenden, oft sehr direkt sie betreffenden „öffentlichen Dingen“. 

Lasst uns nicht zulassen, dass die „Eliten“ weiterhin unsere Demokratien in ihr Feudalreich verwandeln, in dem sie nach Belieben zu schalten und walten vermögen.

“Die Menschen haben das Recht, Rechte einzufordern.“  Sagte das nicht schon Hannah Arendt? Wenn heute der Totalitarismus der in alle Poren der Gesellschaft infiltrierten falschen, lebensfeindlichen „Logik“, die sie die „Marktlogik“, das Gesetz des Marktes und immer häufiger auch –  zweifellos zugespitzt auf einen, wenn auch dominant gewordenen Aspekt –  die Erwartung der Finanzmärkte nennen, von den politischen und wirtschaftlichen „Eliten“ als alternativlos dargestellt wird, so liegt es an uns, den Bevölkerungen aller Länder der Erde, dieser falschen „Logik“ eines Marktes, der scheinbar unausweichlich seinen schrecklichen Tribut verlangt, die Stirn zu bieten. Die Hungernden hungern, weil der Markt ihnen verweigert, was ihr Lebensrecht ist. Weil die Spekulation der Reichen, der kapitalkräftigen Investoren, Nahrungsmittelressourcen aufkauft, hortet, Preise hochtreibt, in Höhen, die das Essen für die Armen der Welt immer unerschwinglicher, das Bedürfnis nach Sättigung für sie zum Luxus macht.  Und in Deutschland – nur 6 Jahre ist es her – lag da nicht die Zahl der Arbeitslosen offiziell bei 4,6 Millionen, die der geringfügig Beschäftigten bei 5,3 Millionen? Das macht offiziell 9,9 Millionen Menschen, die aus sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten gedrängt wurden oder solche Tätigkeiten nie ausüben konnten.  Knapp 10 Millionen, gegenüber 26 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten! Aber wie viele der 5 Millionen Selbständigen waren als Folge ausgeübten Drucks oder zweifelhafter Überredungskünste in einer prekären Pseudo-Selbständigkeit gelandet, wie viele wegen des Zwangs, der von den Umständen, den Verhältnissen, ausging? Daran hat sich – real oder scheinbar – ein wenig gebessert: Knapp ein Drittel, vielleicht weit weniger als ein Drittel jener 4,6 Millionen Arbeitslosen, von denen man im September 2005 berichtete, wurden seither in zumeist prekäre Arbeitsverhältnisse geschoben. Aber ist nicht auch die Lage der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten längst „prekär“? Ist sie nicht in der Regel geprägt von Arbeitsintensivierung – oft bei Ausdehnung der faktisch geleisteten Arbeitszeit – und von Zukunftsangst, Angst vor „Jobverlust“? Wird nicht das „Betriebsklima“ immer mehr zu etwas, von dem man nur zu engen Vertrauten oder völlig Fremden, gleichsam hinter vorgehaltener Hand, spricht? Nichts anderes als die Logik des Marktes – des Arbeitsmarktes, von Absatzmärkten, von Kapitalmärkten, auf denen sich Betriebe finanzieren –  kommt in diesen Symptomen eines Vorhofs der Hölle zum Ausdruck. Der Markt herrscht und die Wirtschaftseliten –  zumal jener Bruchteil eines Prozents der Bevölkerung, der am meisten davon profitiert – verlangen im Verein mit den „Machern“ in den Regierungen und den die Herrschaft über das Feld der Diskurse beanspruchenden Medien, dass wir uns unterwerfen.

Zwar sagen die Verfassungen und es sagt auch die Geschichte der Kämpfe um Demokratie, dass wir Rechte haben. Dass wir – das Volk, die Bevölkerung ! – der wahre Souverän sind.

Aber offensichtlich ein entthronter – oder schlimmer noch, ein nie in den Genuss der Souveränität gelangter Souverän.

Sie verweigern uns Rechte, wenn wir zu schwach sind. Wenn wir zu wenige sind, um gehört zu werden und sie einzufordern.

Liegt es aber dann nicht an uns, uns Gehör zu verschaffen? Und mehr als das! Denn was sonst gilt es zu erreichen, als das Recht, das wir haben, das Recht, das man uns aber nicht gibt, außer, wir nehmen es uns: dieses Grundrecht der Demokratie, das darin besteht, vereint, nach guter Debatte, Entscheidungen zu treffen. Über uns. Über unsere Welt, die Welt, in der wir leben, lieben, arbeiten. Über die Verhältnisse, die uns noch bestimmen, über die WIR, DAS VOLK, DIESE ENTMÜNDIGTE  BEVÖLKERUNG, aber bestimmen sollen. Und worüber denn, wenn nicht über das Umgehen mit einander. Und das Umgehen – nicht mehr destruktiv, plündernd, sondern schützend und sorgend –  mit dem Lebendigen und den Dingen. Mit dieser ganzen bedrohten Welt, diesem Planeten, dessen Harmonie und Balance durch das von der „Marktlogik“ getriebene Verhalten der politischen und wirtschaftlichen Eliten so gefährdet ist. 

Ja, es wird Zeit, dass wir – die Bevölkerung, die entmachtete, die in den Medien und auf den politischen Bühnen ausgesperrte, die mundtot gemachte – endlich über uns und  all das, was uns gemeinsam so elementar betrifft, selbst entscheiden. Statt weiter Andere, Wenige, Privilegierte, über uns und die einzige Welt, die wir haben, entscheiden zu lassen.

In New York und nicht nur dort, riefen die, mit denen wir uns schwesterlich, brüderlich verbunden fühlen: “dies ist unsere Straße“. Ja, sie haben recht. Es sind unsere Straßen und Plätzen. Von Menschen wie wir es sind, gebaut. Von Steuern, die wir zahlten, bezahlt. Die Straßen und Plätze zu füllen, hier die Tribüne zu finden für die große Debatte, das war von Anfang an – schon in Athen – das Recht der Bevölkerung. Es ist der Beginn der Veränderung, die uns der guten Ordnung,  zumindest einer besseren, gerechteren, vernünftigeren, vielleicht näher bringt.

Es liegt an uns, Freundliche! An uns, ihr Guten! Beginnen wir das, was not tut: verlangen wir unser demokratisches Recht.
 
 

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