Vom Gemeinwohl, dem schöpferischen Potential
der Menschen, und ihrer Verantwortung für das Lebendige
Wer war das, den ich reden hörte, neulich, von der
Sehnsucht,
„nach einem Ort, wo jedem alles gehört und niemandem etwas“?
Die Zeit ist reif, die Ähren sind voll und das Korn
am Herausfallen. Oder ist es die lange Trockenheit, sein Durst, der das
Korn herausfallen lässt?
Da war der, der sprach von dem alten – er sagte auch,
christlichen – Begriff von Gemeinwohl, der besagte,
so hörten wir, „daß die Menschen einander unterstützen“.
Nicht nur bei der Arbeit. Oder in der Not. Sondern auch
darin, „ihre Talente zu entfalten.“(1)
Was so getan wird, ist gegenseitige Hilfe. Gegenseitige
Hilfe setzt Gleichheit der sich Helfenden voraus.(2) Wie die Gabe, das
Geschenk – dem Marcel Mauss seine Aufmerksamkeit widmete, konstituiert
sie ein soziales Band.(3)
Gegenseitige Hilfe ist ein ebenso alter
Begriff wie der des Gemeinwohls. Schon im alten China galt, unter den Reisbauern,
welche auf Bewässerungsanlagen angewiesen waren: women bangju
yiqi – wir helfen einander, wechselseitig. Schon im Irak, in Ägypten,
am Indus praktizierten die Bauern das.(4)
Da war der, der sprach von dem Potential an Schöpferkraft
in uns. Überall – nicht nur im Buch der Hebräer, in der Bibel
– finden wir Schöpfungsmythen. Sie lehren die Menschen, was Schöpfung
ist, was schöpfen: Ein kreativer Akt, ein Akt der Freiheit.
Man transzendiert sich selbst. Verändert sich und
die Welt rund herum.
In welche Richtung? Das ist offen. Das produktive Potential
der gesellschaftlich betriebenen Industrialisierung hat die Welt an den
Rand einer Klimakatastrophe gebracht.
Die Menschen sind verantwortlich – gemeinsam – für
das, was sie tun, für ihr schöpferisches Potential. Und sie können
Fehlentwicklungen nur gemeinsam, bewusst, Einhalt gebieten.
Der, der das versteht, weiß er, daß die Veränderung,
die not tut, eine ist, die einher gehen muß mit dem Bewußtsein
der Verantwortung - für einander? Und zugleich: für sich
selbst. Für das eigene Tun.
„Echte Konservative“ – sagte kürzlich wieder ein
anderer – seien jene, „die die Zukunft des Menschen“, aber in eins damit
auch die Biodiversität, „die ökologische Zukunft des Planeten
schützen wollen.“
Und die daher „weder die Macht noch den Besitz fetischisieren.“(5)
Ich höre es. Ich denke nach. Ich frage mich, ob es
reicht, das Gute zu denken. Es zu sagen, zu wünschen, zu wollen. Muß
man nicht auch – fehlbar wie man zweifellos ist – beginnen, zu handeln?
Anmerkungen
(1) Das Zitat entstammt einem im WDR 5 gesendeten Gespräch mit
dem Philosophen Walter Schweidler.
(2) Ebenda
(3) Marcel Mauss, Essai sur le don: forme et raison de l'échange
dans les sociétés archaïques; préface de Florence
Weber. Paris (P.U.F.) 2007 [Texte extrait de : "L'Année sociologique",
seconde série, 1924-1925, tome I]
(4) Vgl. u.a. K.A. Wittvogel, der die Kollektivität der hydraulischen
Infrastruktur-Arbeiten herausarbeitete, allerdings zugleich den Akzent
auf damit in Verbindung gebrachte „despotische“ Tendenzen legt. (Karl August
Wittvogel, Oriental Despotism: a comparative study of total power. New
Haven (Yale Univ. Press) 7th printing, 1970). –
Zumindest in China existierten zentrale Staatsgewalt (gespiegelt in der
konfuzianistischen Staatsphilosophie) und die lokale, selbst geregelte,
also autonome Kooperation der direkten Produzenten (gespiegelt in einem
bisweilen anarchistische Züge aufweisenden Taoismus sowie durch den
eklektischen Volks-Buddhismus) neben einander, als zwei – vor allem durch
das Steuersystem, durch Gerichte, und durch „Aushebungen“ für Feldzüge
an der Grenze – zwar in Kontakt stehende, aber verschiedene Welten. (Vgl.
dazu auch: Joachim Schickel, „Wu cheng-fu oder Anarchismus in China, in:
Kursbuch, 1969, S. 151 – 162)
(5) Hans Conrad Zander, im WDR 5.
Check...:http://www.democracynow.org/2011/2/17/democracy_uprising_in_the_usa_noam
Check: http://www.democracynow.org/2011/2/17/democracy_uprising_in_the_usa_noam
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