Mit diesem LOGO werben Menschen der Bewegung gegen „Stuttgart
21“ für ein breites Bündnis.
Gerhard Kornblum
Für ein breites Bündnis!
Die Demokratiebewegung
in Mitteleuropa muss Trennendes überwinden und parteipolitische Sektierer
in die Schranken weisen!
Eine BREITE, undogmatisch an den Interessen der MENSCHEN
vor Ort orientierte KOALITION ist im Lande notwendig.
Das haben viele in Baden-Württemberg erkannt, die
sich gegen die unkalkulierbaren Risiken der zivilen Atomkraft-Nutzung und
gegen die Enteignung ihrer demokratischen Rechte und die fremdbestimmte
Umgestaltung ihrer Stadt, der baden-württembergischen Hauptstadt Stuttgart
zur Wehr setzen.
Wie hatte der CDU-Minister Röttgen, auf die Atompolitik
aller Bundesregierungen – egal welcher Couleur – anspielend, in einem
der seltenen Augenblicke politischer Wahrhaftigkeit, die wir in den letzten
Jahren erlebten, gesagt? „Man kann nicht Jahrzehnte lang Politik gegen
die Mehrheit der Bevölkerung machen.“
Doch, man kann – das zeigt uns die politische Klasse,
das zeigen uns die Bosse der Wirtschaft, ob nun Banker oder ATOM-KONZERN
oder die GROSSEN CHEMIEUNTERNEHMEN, ob SIEMENS oder NOKIA, VW oder OPEL
oder MERCEDES.
Das hat man gezeigt und zeigt es noch immer.
In Stuttgart, im Fall des dubiosen, spekulationsbereiten
urbanistischen Projekts „Stuttgart 21“.
Im Wendland und an vielen anderen Orten, wenn es
um die Durchsetzung der Profitinteressen der Atomlobby geht.
Und in zig anderen Fällen, wo es um andere Interessen
geht, ob nun die von Vattenfall, EON, BAYER, EXXON oder welchem Unternehmen
auch immer.
Der „kluge“ Röttgen ist offenbar, als er starken
Gegenwind aus seiner Partei, also von den – neben ihm – führenden
Leuten der CDU und CSU spürte, sofort eingeknickt und still geworden.
Erst die Atomkatastrophe in Japan lässt ihn wieder zaghaft die Stimme
in dieser Angelegenheit erheben. In anderen Angelegenheiten ist wohl kaum
viel zu erwarten, und wo er Einsicht zeigte, hat er geschwiegen, sobald
es sich als politisch opportun erwies.
O ja, ein breites Bündnis ist notwendig. Aber mit
den Röttgens und Geislers und Gabriels und Cohn-Bendits?
Oder jenen Ministern der LINKEN, die in Brandenburg und
Berlin, damit sie die Koalition nicht gefährden, vor dem Druck
„realpolitischer“ SPD-Chefs ebenso „realpolitisch“ einknicken?
Das breite Bündnis – notwendig und vernünftig
und von vielen gewollt, ersehnt – muss vor allem ein BÜNDNIS VON UNS
BÜRGERN sein. Ein Bündnis von unten. Ein Bündnis von Leuten
mit und ohne Parteibuch, aber: außerhalb der Parteien.
Der Wunsch nach Geltung und Geltend-Machung der Bedürfnisse
all jener Menschen im Lande, die nicht den Profit vor konkrete Lebensinteressen
stellen, kommt – wir sehen es seit einigen Jahren immer deutlicher – wieder
und wieder und mit wachsender Intensität und Bewusstheit in
Bürgerprotesten zum Ausdruck.
Ganz gleich, ob sich die Proteste, wie in Stuttgart, gegen
ein über die Köpfe der Betroffenen hinweg lanciertes spekulatives
Mammutprojekt richten.
Oder, wie in Ost-Brandenburg, gegen die Pläne zur
CO-Speicherung.
Oder in Mecklenburg-Vorpommern, Ahaus, Grohnde, im Wendland
oder in Südwestdeutschland gegen die Atom-Politik der Konzerne und
der Regierung.
Immer geht es auch um die klare WAHRNEHMUNG DER TATSACHE,
DASS WIR BÜRGER „OBJEKTE“ der von wirtschaftsnahen Politiker gemachten
Politik sind, statt SOUVERÄN, so wie es die Verfassung und jedes reale
Verständnis von Demokratie verlangt.
Daher die Entschiedenheit des Widerstands, das lange Durchhalten,
die wachsende Informiertheit, das berechtigte Misstrauen gegenüber
dem politischen Personal und den von ihnen benannten Experten.
Und so ist der Widerstand, wie er an konkreten Orten und
in verschiedenen Regionen aufbricht, inzwischen längst kein Ausdruck
von Partikularinteressen spezieller kleiner Gruppen von konkret Betroffenen,
die sich „rückwärtsgewandt“ gegen die „unvermeidlichen“ Risiken
einer „Risikogesellschaft wenden“ – wie es in den auf die Produktion einer
„vorherrschenden Meinung“ abonnierten MEDIEN mit böswilliger Beharrlichkeit
so gern dargestellt wird.
Nein, nicht Partikularinteressen werden von den vielen
in Stuttgart und im Wendland und anderswo verteidigt.
Immer geht es doch vor allem um das GESPÜR
der konkreten Bevölkerungen für Unrecht, das ihnen angetan wird.
Um das Gespür dafür, dass vieles am demokratischen
Spiel und seinen gegenwärtigen REGELN die Demokratie zur Farce werden
lässt.
Und dass gewählte Politiker oft nicht der Bevölkerung,
nicht den sogenannten einfachen Menschen verpflichtet sind, sondern partikulären
Wirtschafts- oder Kapital-Interessen.
Insofern ist der Widerstand im Wendland, der Widerstand
gegen „Stuttgart 21“ oder die CO-Pipeline im Rheinland, gegen die umweltvergiftende
Exploration von Erdgaslagern in Nordwestdeutschland, gegen die riskante
CO-„Speicherung“ im Untergrund usw. usw. auch Teil eines demokratischen
Verlangens nach Gehör, Beteiligung, Mit-Entscheidung. Und letztlich
ein Teil einer sich informell bildenden Demokratie-Bewegung, welche die
DEMOKRATIE VON UNTEN gegen die MACHT DER KONZERNE und einer VERBÜNDETEN
POLITISCHEN KLASSE als noch unausgesprochenen Orientierungspunkt hat.
Die Menschen vor Ort, im östlichen Ruhrgebiet,
zum Beispiel, sind nicht nur gegen das Kraftwerk in Datteln, weil eine
Großanlage, die nach dem derzeitigen (oft völlig unzureichende
Minimalstandards setzenden) geltendem Planungsrecht mindestens 1,5 Kilometer
von der nächsten Wohnbebauung entfernt sein müsste, bis auf 500
Meter an eine Siedlung herangerückt wurde und weil ein hochexplosives
Ammoniaklager Teil dieser Anlage sein würde.
Sie sind auch empört, weil sich – im
Kontext dieses ZYNISCH geltendes Recht brechenden Baus –
Politiker und Beamte als Verteidiger des RECHTSBRUCHS entpuppen und Unternehmer
bzw. Top-Manager als kaltschnäuzig sich über Urteile hinwegsetzende
Machthaber, die EINGESPERRT gehören.
In Nordrhein-Westfalen ist die rot-grüne Landesregierung
im Fall des Kohlekraftwerkbaus in Datteln bislang offenbar so wenig von
der Unterstützung des Rechtsbruchs abgerückt wie die konservative
(CDU-FDP) Vorgängerregierung. Ein Skandal und eine Hintergehung ihrer
Wähler!
Der grüne Umweltminister hält sich sehr
bedeckt – will entweder die Koalition nicht gefährden oder klebt am
Minister-SESSEL.
Dasselbe erleben die Menschen vor Ort bei dem zuständigen
Minister der LINKEN in Brandenburg: Hier im Fall der Erkundung des potentiellen
CO-Lagers, das VATTENFALL durchsetzen will. Und dies offenbar in Übereinstimmung
mit der sogenannten Umwelt- und Klimaschutz-Politik der politischen Klasse
der Bundesrepublik Deutschland, die anscheinend vor allem auf ein industriefreundliches
„Unter-den-TEPPICH-Kehren“ der CO- und CO² -Problematik
gerichtet ist.
Obwohl die LINKE vor Ort die gegen die CO-Lager-Pläne
aufstehende Bevölkerung unterstützte, was positiv ist und Beweis
einer guten Bündnisstrategie der Menschen der Region, die ich wehren,
erweisen sich einige Chef-Politiker der LINKEN als „Realisten“, die EBENSO
WIE DIE DERZEITIGEN CHEFS DER SPD vor der Wirtschaftsmacht von Konzernen
einknicken.
Bei den derzeit führenden Politikern der SPD scheint,
ebenso wie bei denen der CDU, der CSU, der FDP und bei vielen Spitzenpolitikern
der GRÜNEN schon lange die Vermutung berechtigt, dass sie sich zum
Teil auch gerne gefesselt sehen von einschlägigen Gesetzen, die angeblich
keine andere Wahl lassen.
Wer macht eigentlich die GESETZE und wem sollen sie dienen?
Als Bürger wehrt man sich mit Recht gegen die Zumutung,
weiterhin wie im Feudalismus und Absolutismus, Untertan zu sein anstatt
Souverän. Der neue Feudalismus – die Allianz der Wirtschaftsmächtigen,
die sich Einfluss in den Parteien und Institutionen der Wissenschaft erkaufen
und politische Angestellte des Volkes in Angestellte ihrer „alternativlosen“
Interessen verwandeln – schärft das Bewusstsein für politische
DEFIZITE DER WESTLICHEN DEMOKRATIEN.
Wie kann man überhaupt einer politischen Führungsschicht
trauen, die mit den Diktatoren der sogenannten Dritten Welt jahrzehntelang
„im Bett war“, ihre Diamantengeschenke empfing, in ihren Villen Urlaub
machte, ungezählte Millionen an Parteispenden von Waffenschiebern
und Rüstungskonzernen (und wer weiß welchen Interessierten noch)
einsteckte, um dann in Hinterzimmern die Ziele „ihrer“ Politik auszubaldowern:
einer Politik, die, wie es immer wieder heißt, OHNE ALTERNATIVE ist,
SACHZWÄNGEN GEHORCHT und – nachdem sie vor allem den Großaktionären
sowie der Managerschicht der international agierenden Unternehmen plus
einer kleinen Anzahl sehr vermögender „Rentiers“ zugute kommt – ANGEBLICH
„letztlich auch“ DER BEVÖLKERUNG, als fünftem Rad am Wagen, nutzt,
wie Frau Merkel uns kürzlich in erfreulicher Offenheit verklickerte.
Meint nicht dieser „letztendliche Nutzen“ das angebliche
filtering down, die bescheuerte „Theorie“, dass „wir alle“ profitieren
von den herabfallenden Brotkrumen, die dem gutgedeckten Tisch der oberen
0,5 Prozent zu verdanken seien? Wovon die Bevölkerung, die „wir alle“
bilden, dann aber meistens nur merkt, dass sie wieder mal die Zeche zahlt.
Überall in Deutschland, und ähnlich in anderen
europäischen Ländern, fast gleichzeitig in Nordafrika,
Thailand, den Philippinen, in Lateinamerika, Kanada usw. bilden sich daher
nicht von ungefähr Ansätze einer Demokratienbewegung.
Und dies, weil DIE BEVÖLKERUNG WELTWEIT SICH NICHT
LÄNGER VON DER POLITISCHEN KLASSE VERARSCHEN LASSEN WILL.
Wir müssen auf der Hut sein gegenüber falschen
„Vermittlern“ – den El Baradeis und Geislers, die nur eins im Schilde zu
führen scheinen: die Wogen zu glätten und die Macht der politischen
Klasse sowie der „Wirtschaft“ LANGFRISTIG zu sichern.
Demokratiebewegungen – das zeigen die Proteste in Stuttgart
und im Wendland, aber auch die Friedensproteste der Vergangenheit in Berlin
und anderswo – sind keine „ONE ISSUE MOVEMENTS“: SIE BÜNDELN VIELE
KRÄFTE, sind FÜR ALLE ANLIEGEN UND BESCHWERDEN DER MENSCHEN OFFEN.
Aber gemeinsam ist ihnen die Forderung, dass die Basis
das letzte Wort haben soll: die Bevölkerung, nicht ihre gewählten
REPRÄSENTANTEN, die sich, nachdem sie gewählt sind, OFT an keine
Versprechen mehr erinnern können.
Es ist unübersehbar, daß die politischen Parteien
oft (und am deutlichsten in der Zeit vor anstehenden Wahlen) Schattenkämpfe
ausführen und hinterher dieselbe angeblich von Sachzwängen orientierte
neo-liberale Politik verfolgen. Es ist auch unverkennbar, dass ihre derzeit
führenden Repräsentanten oft zu denselben Ausflüchten
Zuflucht nehmen.
Wir – die Menschen, die sich ÜBERGANGEN WISSEN
und GEHÖR FINDEN WOLLEN – können uns daher nur selbst organisieren,
informell, vor Ort, aber vernetzt.
Wir brauchen keine Führer mehr. Aber wir brauchen
Verbündete – auch in den Parteien, in den Gewerkschaften, in der Wissenschaft.
Selbst in den Kirchen – etwa von Seiten der wirklichen Befürworter
einer Theologie der Befreiung.
Wir brauchen die UNTERSTÜTZUNG derjenigen, auch aus
den Parteien, die ernsthaft auf uns zugehen und unseren Wunsch nach mehr
Demokratie, realerer Demokratie ernst nehmen.
Kritische Gewerkschafter, die kämpferischen Leute
in der SPD, unter den GRÜNEN und bei der LINKEN, wache, selbstkritische
katholische und evangelische Christen, viele Muslime, Juden, Buddhisten,
die einfachen Menschen aus der Basis der CSU und CDU – ALLE SIND POTENTIELL
EIN TEIL UNSERER BEWEGUNG FÜR REALE DEMOKRATIE.
Lasst uns die trennenden Barrieren niederreißen.
Das gemeinsam Gewollte zählt, das große Ziel.
Über alles andere kann man konstruktiv sprechen; die Vielzahl der
Ideen, der Vorschläge kann Debatten nur beleben.
Es gibt so viele ungelöste PROBLEME in unserer Gesellschaft:
von der Irrationalität des Setzens auf einer mit unkalkulierbaren
Risiken behafteten Nuklearindustrie bis zum Klimawandel. Von der irrwitzigen,
durch die Regierungen und die Europäische Kommission vorangetriebenen
Industrialisierung der Landwirtschaft (mit ihren katastrophalen Folgen
für das Wasser, die Böden, die Gesundheit von Mensch und Tier)
bis zur fehlenden Demokratie, sobald man durchs Fabriktor oder den Eingang
zu den Arbeitsplätzen in den Banken, den Versicherungen, im Handel
geht... Die Reihe der Aufgaben, die sich uns – der Bevölkerung stellen
– lässt sich fortsetzen. Wenn die Welt, die Menschheit, die Erhaltung
der Vielzahl der Arten (deren Schwinden derzeit unaufhaltsam erscheint).
eine Chance haben soll, können wir das Ruder nicht mehr einer unkontrolliert
mit „der Wirtschaft“ paktierenden politischen Führungsschicht überlassen,
für die die Demokratie, wie wir sie heute kennen, nur ein Herrschaftsinstrument
und Instrument der Pseudo-Legitimation der zeitweisen Machtausübung
der jeweils auf den Schild gehobenen „Stars“ aus ihrer Mitte ist.
Denn eine wirkliche, lebendige Demokratie – als unabschließbarer
Prozess der realen, auf Mitdenken, Mitdebattieren und Mitentscheiden in
konkreten Fragen beruhenden Beteiligung der Vielen an der „öffentlichen
Sache“ – sieht anders aus!
Gerhard Kornblum
Aktion „Demokratie von unten“
Check...:http://www.democracynow.org/2011/2/17/democracy_uprising_in_the_usa_noam
Check: http://www.democracynow.org/2011/2/17/democracy_uprising_in_the_usa_noam
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